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Patanjali Statue in schwarz und weiß

Das Yogasutra – Reise durch unseren Geist in vier Akten

In Folge drei unserer Blog-Serie zu bedeutenden Grundlagentexten des Yoga widmen wir uns dem Yogasutra von Patanjali. Zuvor haben wir in dieser Serie bereits die beiden wichtigen Werke Upanishaden und Bhagavadgita betrachtet. Beides sind zeitlose Schriften, deren Inhalte auch heute noch relevant sind. Gleiches gilt für das Yogasutra. Der darin beschriebene achtgliedrige Pfad bietet bedeutende Impulse für den eigenen Yogaweg und den Yogaunterricht. Doch der Reihe nach …

Patanjalis Yogasutra – Ursprung und Aufbau

Das Yogasutra ist circa 2.000 Jahre alt und Patanjali wird als Verfasser vermutet. Es ist nicht gesichert, ob es Patanjali wirklich gab. Möglicherweise könnten auch mehrere Autoren das Werk verfasst haben. Das Yogasutra besteht aus vier Kapiteln, in denen insgesamt 195 Lehrsätze – als Sutras bezeichnet – enthalten sind. Diese kurzen Lehrsätze sind in aufeinander aufbauender Reihenfolge angeordnet. Die Kürze ermöglicht einerseits das Auswendiglernen, andererseits führt dies dazu, dass die Sutras nicht ohne erklärenden Kommentar auskommen. Auch hier wird ein tieferes Verstehen erst nach dem wiederholten Studium des Textes im Austausch mit einer Lehrperson, beispielsweise im Rahmen von Seminaren, möglich. Im Deutschen gibt es zahlreiche kommentierte Übersetzungen des Yogasutras, die das Selbststudium unterstützen.

Worum geht es im Yogasutra?

Zentrales Thema des Yogasutra ist unser Geist-Gemüt-Komplex, im Sanskrit als citta bezeichnet. Es geht darum, unser citta zu erforschen und besser zu verstehen. Dies ermöglicht uns, Wege für den Umgang mit alltäglichen Herausforderungen zu finden und daraus zu lernen. Zukünftiges Leid kann dadurch laut Patanjali vermieden werden. Damit erinnert uns das Yogasutra daran, dass Yoga nicht nur auf der Matte stattfindet, sondern auch und gerade im alltäglichen Leben.

Dieser Weg ist ein Prozess, der bei jedem von uns unterschiedlich und in unterschiedlichem Tempo abläuft. Dementsprechend enthält das Yogasutra vier Kapitel, die verschiedenen Stufen auf diesem Weg entsprechen. Das in den Sutras vermittelte Wissen über die Funktionsweise unseres Geist-Gemüt-Komplexes ist allgemein gültig, so dass es individuell angewendet werden kann. Wer sich auf diesen Weg begeben möchte, sollte am besten jetzt damit anfangen. Damit beginnt das erste Sutra: „atha yoga-anusasanam“, was im Deutschen bedeutet „Jetzt folgt eine Einführung in Yoga, die auf Erfahrung beruht.“ [1]

Der achtgliedrige Pfad im Yogasutra

Ein zentraler Aspekt des Yogasutra ist der achtgliedrige Pfad. Dieser wird im zweiten Kapitel, in dem es um den Übungsweg geht, thematisiert. Der achtgliedrige Pfad wird im Sanskrit als astanga bezeichnet. Diese acht Glieder sind nacheinander angeordnet, können aber durchaus auch parallel und nicht zwingend nacheinander bedient werden. Der achtgliedrige Pfad umfasst:

  • Unser Verhalten gegenüber der Umwelt (yama)
  • Unser Verhalten gegenüber uns selbst (niyama)
  • Körperübungen (asana)
  • Atemübungen (pranayama)
  • Die Umkehr der Sinne von außen nach innen (pratyahara)
  • Konzentration (dharana)
  • Meditation (dhyana)
  • Vollkommene Erkenntnis (samadhi).

Die letzten drei Glieder werden unter dem Begriff samyama zusammengefasst. Die einzelnen Glieder haben teils auch Unterpunkte. Zu den niyamas, dem Verhalten gegenüber uns selbst, gehört beispielsweise Zufriedenheit (santosa). Nehmen wir santosa als Fokus und tragen diesen, bildlich gesprochen, einige Wochen mit uns, wie viel kann das möglicherweise schon verändern? Vielleicht wird uns dadurch bewusster, dass wir ein Dach über dem Kopf haben, gesund sind, ausreichend zu essen haben und es kein Drama ist, dass wir gerade nicht auch noch dieses und jenes haben können. Hiermit hätten wir einen der Stolpersteine auf unserem Weg entlarvt.

Stolpersteine auf dem Weg – klesas und antarayas

Diese Stolpersteine auf dem Weg zu weniger Leid thematisiert Patanjali auch. Es handelt sich dabei um Tendenzen unseres Geistes, die uns am Vorankommen auf unserem Weg hindern oder verlangsamen können. Patanjali bezeichnet diese als Trübungen, klesas. Das oben genannte „Haben wollen“ ist eines der klesas, welches uns häufig begegnet: die Gier – raga. Der Gegenspieler der Gier ist unbegründete Ablehnung, dvesa. Neben den klesas nennt Patanjali noch neun Hindernisse, die sogenannten antarayas. Auch diese dürften uns nicht unbekannt sein: Ablenkung, Unruhe, Gleichgültigkeit, übermäßiger Zweifel … um nur einige zu nennen.

Das Yogasutra möchte uns auf diese Stolpersteine aufmerksam machen, aber nicht mit dem Ziel einer überzogenen Selbstoptimierung. Wir sollen nicht zu immer fröhlichen und ausgeglichenen Individuen werden. Aber es ist hilfreich zu wissen, welche unterschiedlichen Gemütsbewegungen in uns auftauchen können. Sie zu erkennen und nicht daran zu haften, ist der entscheidende Punkt.

Patanjalis Tipps zu asana und pranayama

Neben dem Geist-Gemüt-Komplex als zentrales Thema des Yogasutra, thematisiert Patanjali auch asana und pranayama. In unseren Blog-Beiträgen zu asana und pranayama sind wir bereits auf Begriffspaare aus dem Yogasutra eingegangen, die für unsere Yogapraxis wichtig sind. Im Bezug auf die asana-Praxis sind dies stihra – sukha (Stabilität und Leichtigkeit) und in Bezug auf die pranayama-Praxis dirgha – suksma (lang und fein). Ein asana, ausgeführt mit einer stimmigen Verteilung von Stabilität und Leichtigkeit im Körper, verbunden mit einem langen und fein fließenden Atem und einem ausgerichteten Geist – das ist Yoga.

Wie schaffen wir es, auf dem Übungsweg zu bleiben?

Schon wenige Impulse aus dem Yogasutra, können große Veränderung bewirken. Durch die wiederholte Auseinandersetzung mit dem Text – Desikachar soll das Yogasutra siebenmal mit Krishnamacharya zusammen Sutra für Sutra durchgegangen sein – erschließen sich die Inhalte und werden erfahrbar. Das Erfahren und Verinnerlichen von Wissen ist ein zentraler Bestandteil des Yoga. Dies braucht Zeit, was Patanjali ebenfalls berücksichtigt hat.

Um auf dem Übungsweg zu bleiben, gibt er uns ein weiteres Wortpaar an die Hand: beharrliches Üben (abhyasa) und Gelassenheit (vairagya). Das bedeutet, dass wir beim Üben auf der Yogamatte und im alltäglichen Leben dabeibleiben müssen, aber gleichzeitig gelassen und geduldig mit uns sein sollten. Dadurch entsteht der Yogazustand, unser citta ist ausgeglichen, was durch die Einheit von Fühlen und Denken gekennzeichnet ist und im 12. Sutra des 1. Kapitels beschrieben wird: „abhyasa-vairagyabhyam tat-nirodhah“, das bedeutet „Beharrliches Üben und nachhaltiger Gleichmut führen unweigerlich zur Einheit der Gefühle und Gedanken.“ [1] In diesem Sinne, bleiben wir dabei …

Im nächsten Blog-Beitrag widmen wir uns der Hatha-Yoga-Pradipika, die konkrete Anleitungen für unsere Yogapraxis bietet, und der Frage, was Hatha Yoga eigentlich ist.

Melanie Klingler, Gelnhausen, 09.05.2022.

Quelle aller im Text verwendeten wörtlichen Zitate:

[1] R. Sriram: Patanjali – Das Yogasutra – Von der Erkenntnis zur Befreiung. Bielefeld: Theseus, 2006.

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