Yogalehrausbildungen gibt es mittlerweile wie Sand am Meer. Die Suche bei Google ergibt über eine Million Treffer. In diesem Blog-Beitrag soll es nicht nur darum gehen, wie die richtige oder passende Yogalehrausbildung in diesem großen Angebot gefunden werden kann, sondern vor allem um ein bestimmtes Ausbildungsformat, welches immer weniger gefragt zu sein scheint: die 4-jährige berufsbegleitende Yogalehrausbildung. Alles braucht seine Zeit – über die Yogalehrerausbildung: hierzu folgt ein Erfahrungsbericht.
Vorweg gilt es festzuhalten: Yogalehrerin/Yogalehrer ist keine geschützte Berufsbezeichnung, im Prinzip kann jede(r) Yoga unterrichten. Warum dann eine Ausbildung und dazu noch über einen Zeitraum von 4 Jahren? Einige Anregungen und Antworten auf diese Frage gibt der folgende Text.
Yoga – eine Lebensphilosophie
Yoga ist ein ganzheitlich angelegter Übungsweg zur persönlichen Entwicklung des Menschen. Das moderne Bild von Yoga im Westen kommt oft einer Gleichsetzung von Yoga mit asanas, den Körperübungen, nahe. Doch asanas sind nur ein Teil des Yoga. Die Förderung der Aufmerksamkeit für den Atem und dessen kleinteilige Schulung, genannt pranayama, gehört ebenso dazu. Der Atem stellt dabei das Bindeglied zwischen dem Körper und dem Geist-Gemüt-Komplex (im Folgenden verkürzt als Geist bezeichnet) dar. Und auch der Geist ist Thema im Yoga, wenn nicht sogar DAS Thema – zumindest im überlieferten Verständnis. Körper, Atem und Geist miteinander zu harmonisieren, ist eines der Ziele im Yoga. Vielleicht liegt in diesem Bedürfnis ja sogar der Ursprung des Yoga als praktische Lebensphilosophie zur ganzheitlichen Lebensgestaltung und findet demnach nicht ausschließlich auf der Yogamatte statt. Dementsprechend gibt es einen breiten yogaphilosophischen Hintergrund, der die Basis einer soliden Ausbildung ist. Daneben sind Inhalte zu medizinischen Grundlagen, Didaktik, Ethik und Psychologie wichtige Themengebiete und als Grundlagenkenntnisse unverzichtbar, wenn man mit sich selbst und anderen Menschen arbeitet.
Yogalehrausbildung – der Faktor Zeit
Nach der vorhergehenden Aufzählung wird klar: All diese Inhalte lassen sich nicht mal eben in 14 Tagen oder 4 Wochen vermitteln, auch wenn solche Ausbildungen angeboten werden und nicht selten mit dem Adjektiv „intensiv“ versehen sind. Meist bestehen diese kurzen Ausbildungsformate aus 200 Unterrichtseinheiten (eine Unterrichtseinheit entspricht 45 Minuten). Die ganze Bandbreite von Yoga lässt sich in so kurzer Zeit jedoch nicht tiefergehend vermitteln. Der Schwerpunkt liegt bei diesen kurzen Formaten überwiegend auf Inhalten zur asana-Praxis.
Eine deutliche Steigerung auf 640 Unterrichtseinheiten in 2,5 Jahren ist beispielsweise das Format BDY Basic des BDYoga (Berufsverband der Yogalehrenden in Deutschland). Hier sind nicht nur deutlich mehr Unterrichtseinheiten vorgesehen, diese sind zusätzlich über einen wesentlich längeren Zeitraum verteilt. Gerade das ist ein wichtiger Faktor. Denn bei der Yogalehrausbildung geht es nicht darum, sich in möglichst kurzer Zeit möglichst viel Wissen anzueignen. Es geht vielmehr darum, sich intensiv und über einen längeren Zeitraum mit einem Thema auseinanderzusetzen und seine eigenen Erfahrungen damit zu machen. Ein Plus bei den 640 Unterrichtseinheiten: Nach dem Abschluss und zusätzlicher Unterrichtserfahrung kann man Präventionskurse anbieten (umgangssprachlich auch als Kassenzulassung bekannt), so dass die Kursteilnehmer eine Bezuschussung des Kurses durch ihre Krankenkasse erhalten (Stand April 2023). Um ein solides Yogabasiswissen zu erlangen und tiefer in die Welt des Yoga einzutauchen, darf es aber gerne noch etwas mehr sein.
Einblicke in die 4-jährige Yogalehrausbildung
Dafür ist die 4-jährige Ausbildung mit 1.030 Unterrichtseinheiten vom BDYoga angelegt, die von den entsprechenden Ausbildungsschulen angeboten wird. So ist ausreichend Zeit vorhanden, um in die komplexe Thematik einzutauchen. Eine umfangreiche Wissens- und Erfahrungsbasis kann erarbeitet und erfahren werden. Meistens ist es auch möglich, sich erst für eine kürzere Ausbildung anzumelden und dann aufzustocken, wenn man kann und möchte.
Aus meiner Erfahrung ist die 4-jährige Ausbildung absolut empfehlenswert. Zunächst werden solide Grundlagen zur asana-Praxis vermittelt: Welche asanas gibt es, wie kann man diese klassifizieren, wie sinnvoll innerhalb einer Stunde anordnen? Pranayama gehört von Anfang an mit dazu. Nach und nach kommen philosophische Inhalte dazu, allen voran das Yogasutra, das u. a. wertvolle Impulse für die Meditation liefert, die natürlich auch Ausbildungsinhalt ist. Zu den weiteren Grundlagentexten gehören Upanishaden und Bhagavadgita. „Von der Theorie in die Praxis“ ist das Motte in den sogenannten Vorstellstunden. Hier konzipieren alle Teilnehmenden der Ausbildung eigene Yogastunden und leiten diese in der Ausbildungsgruppe an. Anschließend gibt es hierzu wertvolle Impulse und Feedback von den übrigen Teilnehmenden der Gruppe sowie den Lehrpersonen.
Die Mischung zwischen der theoretischen Vermittlung der Inhalte und der Yogapraxis ist absolut bereichernd und die Art des Lernens eine ganz andere als in Schule oder Studium: Lernen durch praktisches Erfahren heißt es in der Yogalehrausbildung. Die Zusammenstellung der Inhalte variiert zwischen den verschiedenen Ausbildungsschulen und Traditionen, das Curriculum (wieviel Unterrichtseinheiten wovon) wird jedoch vom BDYoga vorgegeben.
Sich Zeit nehmen? Warum nicht!
Dieser Blog-Beitrag ist nicht dazu gedacht, für die 4-jährige Yogalehrausbildung zu werben und andere Formate schlecht zu machen. Es soll auch nichts beschönigt werden. Natürlich muss Zeit dafür investiert werden, je länger die Ausbildung dauert, umso mehr. Die BDYoga-Ausbildungen sind berufsbegleitend. Dabei haben mir die 4 Jahre mehr Entschleunigung gebracht, als erwartet – obwohl ich weniger freie Wochenenden hatte. Wer sich dazu entschlossen hat, Yoga zu lehren oder für sich zu vertiefen (nach der Ausbildung muss ja nicht notwendigerweise unterrichtet werden), und die äußeren Rahmenbedingungen es zulassen, dem sei die 4-jährige Ausbildung empfohlen.
Yoga vermitteln – authentisch und aus der eigenen Erfahrung heraus
Nicht nur das Mehr an Inhalten, auch die Zeit sich damit auseinanderzusetzen, also mit den Themen zu wachsen, ist sehr wertvoll. Viele Inhalte verlangen einfach Zeit, um ein tiefergehendes Verständnis dafür zu entwickeln. Es gibt ein afrikanisches Sprichwort, das sagt: „Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht.“ Dieses Sprichwort steht dafür, dass viele Prozesse in der Natur und auch in uns, als Teil der Natur, ihre Zeit brauchen, um zu reifen. Dies zuzulassen kann gerade in unserer schnelllebigen Zeit, sehr heilsam sein. Denn es geht bei der Yogalehrausbildung im Idealfall nicht darum, die nötigen Inhalte nur auswendig zu lernen oder abzuarbeiten, die man zum Unterrichten braucht. Es geht auch und gerade darum, selbst zu reifen und im positiven Sinne persönlich zu wachsen. Von dieser Basis ausgehend lässt sich Yoga deutlich authentischer und aus der eigenen Erfahrung heraus unterrichten und weitergeben.
Yoga verantwortungsbewusst unterrichten
Das Wort Yoga kann mit Verbindung übersetzt werden. Diese Verbindung zwischen den Lehrenden und Lernenden ist wichtig, gerade bei einem ganzheitlichen Übungsweg und wenn verantwortungsbewusst unterrichtet werden will. T. Krishnamacharya brachte in einem Satz einen zentralen Aspekt zum Yogalehren auf den Punkt: „Teach what is inside you, not as it applies to you, but as it applies to the other.” Als Yogalehrende sind wir laut Krishnamacharya dazu aufgerufen, die Yogalehren authentisch zu vermitteln, aber angepasst an das jeweilige Individuum. Nur weil mir uttanasana guttut, kann ich nicht davon ausgehen, dass dies auch uneingeschränkt für meine Schüler zutrifft. Und was auf der Ebene der asanas gilt, gilt umso mehr für pranayama und Meditation. Um dies umzusetzen, muss die Lehrperson die Unterrichtsinhalte selbst verinnerlicht haben und gleichzeitig darin geübt sein, zu erfassen, welches der nächste passende Übungsschritt für den anderen gerade sein kann. Das lässt sich schwerlich innerhalb von 200 Unterrichtseinheiten erlernen, sondern braucht Zeit.
Bist Du nun neugierig geworden, kannst Du dich hier über die verschiedenen Yogalehrausbildungen bei yogasaram informieren. Genauere Details erfährst Du persönlich an den regelmäßig stattfindenden Infotagen. Eine Lehrperson bleibt gleichzeitig immer Schüler, es kann also auch nach der Ausbildung weiter gehen. Hier findest Du eine Übersicht über die aktuell laufenden Seminare.
Im nächsten Blog-Beitrag informiert uns Cornelia über Yoga während der Rückbildung.
Melanie Klingler, Gelnhausen, 10.04.2023.