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Silbernes Kuppelteleskop auf Insel vor blauem Himmel

Gedanken und Gemütsbewegungen in Zeiten von Corona

Einsichten während 12 Wochen – Ein Aufruf zu mehr Demut vor dem wahren Wissen in der Welt

Aktualisiert: 18. April 2020

Waren in der Antike Medizin, Mathematik, Astronomie, Architektur und Philosophie noch sich gegenseitig ergänzende und stützende Wissensbereiche, gingen mit der Aufspaltung dieser in einzelne akademische Disziplinen wesentliche Synergien verloren. Bis heute gelang es nicht, die Wunden dieser Trennung zu heilen. Die verbliebenen Narben verhindern in weiten Bereichen den unverstellten Blick auf zahlreiche Problemstellungen der Menschheit im 21. Jahrhundert. Die mangelnde Akzeptanz des Erfahrungswissens der Ethnomedizin durch die moderne Wissenschaft ist eines dieser Probleme und Gegenstand der folgenden Betrachtung: Gedanken und Gemütsbewegungen in Zeiten von Corona. An der weltweiten Corona-Krise, die Ende 2019 ihren sichtbaren Anfang nahm, lässt sich vieles davon erkennen und verdeutlichen. Es lassen sich aber auch Visionen zeichnen für ein Geschmeidiger-Werden dieser Narben. Für Heilung ist es nie zu spät.

Der Zeitgeist und seine Wahrheiten

Mit dem Wechsel des Standortes ändert sich der Betrachtungswinkel und hierdurch die Sichtweise. In Zeiten internationaler Reisebeschränkungen ist für den Betrachter nur ein Ort der Betrachtung möglich. Unmöglich ist es, die Epoche, in der gelebt wird, mit zeitlichem Abstand zu betrachten. Dafür kann der Zeitgeist unmittelbar erlebt werden. Retrospektiv betrachtet lassen sich wiederum größere zeitübergreifende Zusammenhänge erfassen, aber es fehlt das unmittelbare Erleben. So hat jede Art der Betrachtung die in ihrer Natur liegenden Beschränkungen. Die Wahrheit liegt irgendwo dazwischen. Bis aus Sichtweisen wahres gültiges Wissen wird, bedarf es einer langen Zeit der Überprüfung. Was ist geschehen, was geschieht gerade? Eine Betrachtung aus Mitteleuropa im Frühjahr 2020.

Ein Ruck geht durch die Welt

Der Anfang. Dezember. China oder jeder andere Ort in der Welt.

Januar. Europa hilft China. Das Aufatmen.

Februar. Europa. Einer der anderen Orte in der Welt.

März. Kalenderwoche 12: Aufatmen. Die Luft wirkt klarer als sonst – die Farben scheinen intensiver – der Himmel schweigt azurblau – Italien: 400 Tote in 24 Stunden – der Sonnenuntergang surreal pastellig – der Morgen so still wie die Nacht – und nun auch der Tag – 600 Tote in 24 Stunden – sonnige Tage im Kontrast zur monsunartigen Nachrichtenflut – 800 Tote in 24 Stunden – Italien überholt China, gefolgt von Spanien – Europa folgt im Gleichschritt — Shutdown – Ausganssperren – Fakenews – Schockstarre – Verharmlosung – Panikmache – Virologen klären auf – Populisten schweigen – Ignoranz versus konstruktiver Konsequenz im Handeln – Iran bittet um Hilfe – was ist mit Syrien? – mit den berstenden Flüchtlingslagern? – Griechenland ist allein – Türkei, Ungarn, Großbritannien, Amerika, Brasilien sind verwirrt durch Narzissten am Steuer – was ist mit Australien, Asien, Afrika – was ist mit allen anderen Ländern der Welt? Wo geht es hin? China, Singapur, Taiwan, Südkorea haben gezeigt wie es gehen kann – contact-tracing. In Deutschland ist Toilettenpapier ausverkauft, in Frankreich Wein und Kondome – Beatmungsgeräte und Schutzkleidung fehlen hier und dort auf der Welt – Börsen im freien Fall – Abschottung der Länder – Abstand halten #wirbleibenzuhause.

Es folgen Kontaktsperren: maximal zwei Personen in der Öffentlichkeit und die Regulation von Menschenströmen in Lebensmittelgeschäften – UN-Generalsekretär Guterres fordert weltweiten Waffenstillstand – China und Russland helfen Europa. Aufatmen der Erde – Ausatmen – Einatmen – Aufatmen der Menschheit nicht in Sicht.

12 Wochen in Zeiten von Corona. Corona hält die Welt in Atem.

Sprache und Zeit

Das Virus hat keine Nationalität und kennt keine Grenzen. Vor dem Virus sind alle gleich. Doch Denken und Handeln der Menschen machen den Unterschied. Und dieser zeigt sich in den politischen Systemen, in der Ignoranz, im neokolonialistischen Gedankengut, im eurozentristischen Denken, im gescheiterten Kapitalismus 1.0 sowie im Gefangensein in einem überholten Demokratieverständnis 1.0. Der Unterschied zeigt sich aber auch in der Verwendung der Sprache. Das Gefühl für Sprache ist die letzten Jahre zunehmend abhandengekommen: in der Politik, in den Medien, in der Gesellschaft. Scheindebatten, Sensationsjournalismus, Empörungskultur, Zynismus und sprachliche Eskalation beherrschten den Zeitgeist – auch und gerade jetzt. Das war fatal, ist fatal und enthüllt das immer noch fehlende Wir-Bewusstsein dieser einen Menschheit, dieser einen Welt – der Papst spendet seinen Segen – Umstellung auf die Sommerzeit: das Virus hat seine eigene Zeit!

Selbstverliebtheit des modernen Menschen

Nicht schöner wohnen, streamen, kochen, essen oder schöner Yoga üben vereint die Menschen, sondern Krisen – als wiederkehrende Chancen des Dazulernens für die Menschheit. Während Indien eine Ausgangssperre für ca. 1,3 Milliarden Menschen verhängt, wird diese als das größte Sozialexperiment in der Geschichte der Menschheit bezeichnet. Die Ärmsten trifft es am stärksten – Millionen von Menschen sind aber kein Experimentierfeld, nicht in Indien oder sonst wo auf der Welt. Das wahre Drama in seiner ganzen Tragik zeigt sich besonders regional in der Überlastung der Kliniken, Krematorien und Bestattungsunternehmen. In der Provinz Bergamo, der Region Madrid und in New York vervielfacht sich die übliche Anzahl der Toten um den Faktor 3 bis 5. Dies sind die Epizentren und weitere kündigen sich an. In den USA übernehmen Gouverneure schrittweise das Krisenmanagement. Afrika reagiert konsequent mit Ausgangssperren in den Ballungszentren – das bedeutet für viele Menschen: 12 Personen auf 16 Quadratmetern ohne Wasser und WC vor Ort. Das ist auch ein Ausdruck des ökonomischen Ungleichgewichts in der Welt, der Globalisierung der Gleichgültigkeit und des Sich-Verlierens des modernen Menschen in unwesentlichen Dingen.

Medienansichten

In Deutschland zeichnet sich eine Spaltung der Gesellschaft ab: Homeoffice versus Außendienst. Gesundheitswesen und Lebensmittelversorgung fahren hoch, Produktion und Dienstleistung fahren runter. Die Menschen in Mitteleuropa haben keine Erfahrung mit Ausnahmesituationen und viele tun sich sichtbar schwer mit einer sinnvollen Vorratshaltung sowie Tagesgestaltung – andere sind zunehmend überfordert. Pseudowissen und faktenbasiertes Wissen fluten die Medien. Zahlen und Grafiken verwirren viele Menschen, denn die kontinuierlich veröffentlichten Infektionszahlen und Todesfälle stehen in keinem direkten Bezug zueinander. Dieser kann nur unter Einbeziehung verschiedenster Parameter und nur regional hergestellt werden. Es gibt auch berechtigte Kritik an der Vorgehensweise der Regierung in Bezug auf die Präventionsstrategien, etwa die fehlende Information der Bevölkerung über komplementäre Ansätze (s. a. Tradiertes Erfahrungswissen / Prävention). Alles in allem funktioniert die Gemeinschaft aber gut und der Großteil der Bevölkerung zeigt sich solidarisch.

Vieles wird erst im Nachhinein verstanden werden können. Auch das liegt in der Natur einer Krise. Für einen angemessenen Umgang mit einer unbekannten Situation ist es notwendig sich über drei Dinge in Bezug auf Wissen Klarheit zu verschaffen.

Was wir wissen, was wir nicht wissen, wovon wir mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgehen müssen

Was wir wissen: Es handelt sich bei Sars-CoV-2 um eine bisher nicht bekannte Art von Virus aus der Familie der Coronaviren. Diese ist der Wissenschaft seit längerem bekannt. Die Übertragung findet durch Tröpfcheninfektion statt und die Verbreitungsgeschwindigkeit ist exponentiell.

Was wir nicht wissen: Wie ist der genaue Verlauf der Lungenerkrankung Covid-19? Wer stirbt an und wer stirbt mit Corona? Warum sind manche Infizierte teilweise oder komplett symptomfrei? Dieser Punkt ist von besonderer Bedeutung, denn erst durch Eingestehen des eigenen Nichtwissens entsteht mehr Raum für Wissen.

Wovon wir mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgehen müssen: Das Immunsystem des Menschen ist hochkomplex und verändert sich im Laufe des Lebens mit einer Tendenz zur Abschwächung im hinteren Drittel der Lebenszeit. Durch seine Komplexität hat das menschliche System eine hoch wirksame Abwehr gegen Viren, Bakterien und Krankheitserreger – solange es sich im individuellen Gleichgewicht befindet. Hierfür sind verschiedene Parameter verantwortlich: Genetik, Konstitution, Alter (Lebensphase), Lifestyle (Work-Life-Sleep-Eat-Love-Balance), Sozialform des Zusammenlebens in einer Gemeinschaft, Vorerkrankungen, Disziplin und das Wir-Gefühl einer Gesellschaft sowie Umweltbedingungen. Greifen diese Parameter stimmig und ausgewogen ineinander, können wir von einer überwiegenden Abwesenheit von Störungen sprechen (Gesundheit). Das Zusammenwirken dieser acht Parameter ermöglicht zudem ein hohes Kompensationsvermögen des menschlichen Systems. Soweit es die politische und wirtschaftliche Situation einer Gesellschaft erlaubt, bieten hieraus folgende vier Parameter die Möglichkeit einer individuellen und nachhaltigen Gestaltung für den Einzelnen: Lifestyle, Sozialform des Zusammenlebens, Disziplin und Wir-Gefühl einer Gesellschaft sowie Umweltschutz. Was sich in einem menschlichen System (Mikrokosmos) hierdurch gestalten und erfahren lässt, kann dann auch in einen größeren Zusammenhang gebracht und erfahren werden (Makrokosmos). Der Organismus des Menschen und die Welt greifen ineinander und wirken ständig aufeinander ein. Dieses Wissen ist Bestandteil verschiedenster alter Kulturen und kann unter dem Begriff der Ethnomedizin zusammengefasst werden.

Tradiertes Erfahrungswissen

Unter dem Begriff Ethnomedizin wird heute das weltweite, über Jahrtausende tradierte Erfahrungswissen in der Prävention und Heilung (Therapie) zusammengefasst. Zur Ethnomedizin gehören: Indigene Medizin (Afrika, Asien, Australien, Amerika, Kanada), Ayurveda (Indien), TCM (China, mit Abwandlungen in Japan, Korea, Thailand), Unani (griechisch-arabische Heilkunde), Naturheilkunde (Europa). Viele dieser Methoden werden in der ‚modernen‘ westlichen Welt bis heute nur teilweise verstanden, denn oftmals wurden die komplexen Systeme nur unvollständig in andere Kulturkreise getragen und/oder aus ihrem geographischen, klimatischen und kulturellen Kontext undifferenziert zur Anwendung von anderen Orten auf der Welt importiert. Ethnomedizin basiert auf natürlichen und pflanzlichen Heilmitteln und einer einfachen und ausgewogenen Ernährung (Prävention und Heilung durch Nahrung). Diese Produkte sind in der Regel regional verfügbar und kostengünstig in der Herstellung, also zugänglich für große Bevölkerungsteile. Dieses vorhandene Wissen ungenutzt zu lassen, bedeutet verschenktes Potenzial in der Prävention und Heilung.

Prävention

Noch nicht entstandenes Leid kann vermieden werden (Heyam duhkhamanagatam / Yogasutra 2.16.). Die Idee der Prävention ist über 2000 Jahre alt.

Eine wirkungsvolle Prävention vor und während einer Pandemie bedarf stets der Einbeziehung der Eigenverantwortung und Selbstaktivierung des Menschen. Stark vereinfacht kann dies am Beispiel von Ayurveda und Yogatherapie folgendermaßen aussehen: weniger und leichter essen, ausreichend schlafen, bewegen und frische Luft sowie viel Tageslicht (Morgen- und Abendsonne) in Verbindung mit Muße, dem richtigen Maß an Information, einem ruhigen Geist, dem Austausch mit anderen Menschen und Gedanken zur Sinnfindung des eigenen Lebens. Ayurveda und Yogatherapie haben ihren Ursprung in der Sankhya-Philosophie und den Upanishaden, entspringen beide denselben Quellen und repräsentieren die untrennbare Verschränkung von Körper, Ernährung, Atem, Psyche, sozialem Umfeld und Natur. Zusammen ermöglichen sie ein besseres Verständnis des eigenen Systems (Körper-Atem-Geist-‚Seele‘) in Bezug auf das kontinuierliche Interagieren der einzelnen Anteile. Dies ist die beste Voraussetzung für die Stärkung der kompensatorischen Ressourcen (Resilienz) des Menschen.

Versus oder Und oder Gemeinsam

Moderne Medizin und Ethnomedizin müssen und sollten sich nicht gegeneinander positionieren. Beide Disziplinen blicken auf lange Traditionen und bewährtes Erfahrungswissen zurück. Der Begriff der Komplementärmedizin meint unterstützende, ergänzende Medizin. Für interdisziplinäres Arbeiten bedeutet dies im Idealfall eine Begegnung auf Augenhöhe und beide Disziplinen können sich fallbezogen wechselseitig stützen. Vom entweder-oder zum sowohl-als-auch wäre hier die überfällige und angemessene Vorgehensweise. Überfällig auch als nochmalige Erinnerung an die WHO und ihr Vorhaben von 2005, nämlich der internationalen Ethnomedizin mehr Aufmerksamkeit zu widmen. Gegen die zunehmenden internationalen Tendenzen der Pharmaindustrie, die Ethnomedizin systematisch zu diffamieren und gleichzeitig die Ressourcen der Natur unverhältnismäßig und kapitalistisch motiviert auszubeuten (Naturheilkunde-Bashing / Lobbyismus). Im Umgang mit Seuchen wie Rinderwahnsinn, SARS, Schweinegrippe, Ebola, Vogelgrippe und vielen sich hieraus entwickelnden Epidemien und Pandemien, kommt interkulturellem medizinischen Wissen in der Prävention eine besondere Bedeutung zu. Prävention im Umgang mit der Umwelt heißt auch hier: Die Wahrheit liegt jeweils zwischen mindestens drei Köpfen, Ländern und / oder Kulturen.

Mensch und Natur

Die Natur hat den Menschen mit der Freiheit ausgestattet, sie zu lieben, aber auch sie nicht zu lieben. Nur weil er die Freiheit hat, sie nicht zu lieben, muss er sie nicht zerstören. Sie ist unser aller Zuhause.

Was wurde im Vorfeld der Krise versäumt zu tun und zu lassen? Spezialisierung hat ihren Preis – der Gesamtüberblick und die Fähigkeit zur interdisziplinären Zusammenarbeit gehen zunehmend verloren. So wurden aus Naturwissenschaften teilweise Erklär-Wissenschaften. Zudem ist ein Verlust der Vermittlung von tradiertem Basiswissen (die Kunst Arzt zu sein) in der universitären medizinischen Ausbildung zu beobachten. Und unvollständiges, nicht ausreichend durchdrungenes tradiertes Wissen beschädigt den Ruf der Ethnomedizin in der modernen Welt. Außerdem wird der Umgang des Menschen mit Wahrheiten – das Gefühl hierfür und für die Bedeutung von Wahrheiten – durch alternative Fakten massiv gestört. Kollektive Wahrheiten sind aber Orientierungsbojen für jeden Diskurs und unerlässlich zur weiteren Wahrheitsfindung. Der Mensch ist komplex und mehr als die Summe seiner Teile (Knochen, Muskeln, Organe, Stoffwechselprodukte und Botenstoffe). Er ist ein soziales Wesen, eingebettet in ein System namens Natur, mit einer hochkomplexen Biodiversität.

Die moderne denaturierte Lebensweise der Menschen trennt den Einzelnen jedoch von seiner Beziehung zur Natur, im Denken und Handeln. So bleibt wertvolles, bereits in der Welt vorhandenes Wissen ungenutzt und wichtige Erkenntnisse aus vergangenen Krisen wurden und werden nicht aufgegriffen. Der Hochmut des modernen Menschen kommt vor dem Fall. Denn die intensive Population der Erde hat ihren Preis und macht es notwendig das gesamte Wissen der Menschheit zu nutzen, für den Menschen, die Tiere und die Natur. Die Währung dieses Preises ist die Wiederbelebung bekannter Werte: eine nachhaltige Lebensweise und Sinnhaftigkeit versus Materialismus. Ausgereizte Systeme (Mikrokosmos / Makrokosmos) sind generell anfällig für Störungen durch die ihnen abhanden gekommene Kompensationsfähigkeit. Somit wäre alles zu unterlassen, was das System Natur (Erde) weiter irritiert. Prävention bedeutet hier artgerechte Tierhaltung, konsequentes Überdenken des Kapitalismus und weiterentwickeln der Idee der Demokratie. Denn Kapitalismus generiert Lobbyismus und dieser zerstört gelebte Demokratie (Diktatur der Großkonzerne).

Wahrheit und Visionen

Die Wahrheit: Kein Mensch weiß alles. Kein Mensch hat durchgängig recht. Sich zu spezialisieren heißt wissentlich auf einen nicht unwesentlichen Teil des Gesamtüberblicks zu verzichten. Das liegt notwendigerweise in der Natur der Spezialisierung und diesen Verlust gilt es durch intra- und interdisziplinäres Agieren auszugleichen, denn sich sowohl innerhalb einer Disziplin als auch disziplinübergreifend der Kritik anderer zu stellen ist gelebte Wissenschaft – auch hier liegt die Wahrheit zwischen den Disziplinen. Ohne dies anzuerkennen ist Spezialistentum hoch gefährlich. Erst durch das Interagieren von Spezialistinnen und Spezialisten aus den Bereichen der Virologie, Epidemiologie, Schulmedizin, Ethnomedizin, Soziologie, Philosophie, Wirtschaftswissenschaften und Politik, aber auch der Psychologie und Vertretern aus der Mitte der Gesellschaft lassen sich wirkungsvolle Strategien zur Bewältigung der aktuellen globalen Krise entwickeln. Hierzu müssen sich jeweils mehrere Vertreter der einzelnen Fachbereiche – fachübergreifend und gemeinsam – an einen Tisch setzen und Konzepte entwickeln. Das ist auch eine Chance. Das ist auch Heilung.

Heilung ist möglich – in der Wissenschaft, beim Menschen, in der Sprache, der Gesellschaft, beim Klima und in der Welt. Die Grundlage hierfür ist die Sprache und das Ergebnis hiervon zeigt sich ebenfalls in der Sprache. Sie ist die Grundlage für das Denken und Handeln des Menschen – miteinander, interdisziplinär, kontrovers, konstruktiv und lösungsorientiert. In der Forschung müssen wir uns immer wieder daran erinnern, was wir nicht wissen, um dann die entsprechenden Fragen stellen zu können: Wer wird wann und warum krank? Wer wird warum nicht krank? Um wieder anzufangen mit einer positiv einfachen, sinnerfüllten Lebensweise – für das Wir-Gefühl dieser einen Menschheit.

Hierzu ist die gelebte Eigenverantwortung in Verbindung mit einer systemverträglichen gleichmäßig voranschreitenden Herdenimmunisierung und einer fein justierten Pharmakologie (traditionell und modern) der mittelfristige Ansatz für die nächsten Monate. Das ist die Gunst der Stunde.

Die Bescheidenheit des Königs ist verschieden zur Bescheidenheit des Bettlers und trotzdem können beide echt sein. Die Demut vor dem Wissen in der Welt sollte bei beiden dieselbe sein, denn hier gibt es keinen Unterschied.

Jürgen Slisch, Gelnhausen, 12.04.2020.

 

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