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zwei Hände geformt als Schale und fliegende Rosenblätter

Yoga und sein zeitloses Potenzial

Der indische Yogameister T. Krishnamacharya bezeichnete Yoga als ein Geschenk Indiens an die Menschheit. Welche Potenziale hält dieses Geschenk, eine Jahrtausende alte Weisheitslehre, für den Menschen bereit? Dieser Frage gehen wir im folgenden Blog-Beitrag „Yoga und sein zeitloses Potenzial“ nach.

Was ist Yoga?

Die eine Definition zur Erklärung des Begriffes Yoga gibt es nicht. Im Yogasutra von Patanjali als bedeutendem Quelltext finden wir eine mögliche Antwort. Gemäß Patanjali ist Yoga ein Zustand:  „yogah citta vritti nirodhah“ heißt es in Kapitel I, Vers 2, des Yogasutra. Damit bezeichnet Patanjali einen besonderen Zustand des Menschen, der mit innerer Ausgeglichenheit einhergeht. Um es mit eigenen Worten zu sagen: „Yoga ist der natürlichste mögliche Zustand des Menschen.“ Als praktische Weisheitslehre ist Yoga ganz allgemein ein philosophisches System aus Indien, aus welchem weitere Systeme wie Buddhismus, Hinduismus und andere Religionen einerseits Elemente entnommen haben, andererseits sich alle zusammen im Laufe der Zeit stets auch wechselseitig beeinflusst haben und weiterhin beeinflussen.

Die Resilienz des Systems Yoga

Wie schafft es ein philosophisches System über so lange Zeit lebendig, gültig und wirkungsvoll zu sein? Die Antwort liegt im System des Yoga selbst. Das Wissen und die Einführung in die Erfahrung des Übungsweges Yoga wird bis heute stets direkt von Mensch zu Mensch weitergegeben. Das Zusammenstellen von ganzheitlichen und individualisierten Übungssequenzen folgt dabei einem tiefen Verständnis der Funktionsprinzipien des Menschen. Dieses wurde über Jahrhunderte zum einen immer weiter verfeinert und zum anderen stets den Bedürfnissen des jeweiligen Zeitgeistes angepasst, ohne bereits bewährte Prinzipien aus dem Blick zu verlieren. Diese Prinzipien gelten auf körperlicher, energetischer, mentaler und emotionaler sowie auf biografischer Ebene. Im philosophischen System des Yoga finden wir diese Prinzipien systematisch strukturiert. Die lebendige Weitergabe dieser Kunst der konstruktiven Auseinandersetzung des Menschen mit sich selbst fasziniert uns bis heute und hält das System Yoga lebendig.

Lässt sich ein ausgeglichenes Gemüt erlernen?

Der ganzheitliche Übungsweg des Yoga ist so angelegt, dass er in den Erfahrungen des körperlichen Übens die Vorbereitung des Körpers für den Atem sieht. Das Üben mit dem Atem ist dann wiederrum der elegante Zugang zum Üben mit dem Geist (im Sanskrit citta: Geist-Gemüt-Komplex des Menschen). Asana-Praxis, pranayama-Praxis und Meditation sind dabei Methoden zur Schulung des Geistes und zur Entwicklung der Persönlichkeit – also stets Mittel zum Zweck. Denn über den Atem können wir geschickt indirekt auf den Geist einwirken (wie der Atem so der Geist – wie der Geist so der Atem). Citta ist von Natur aus ständig in Bewegung, manchmal sprunghaft und unruhig, ein anderes Mal langsam und träge. Auf direktem Weg ist citta nur schwer beizukommen, da citta sich gerne selbstrechtfertigend und gekonnt der rein rationalen Einflussnahme entzieht. Durch stimmiges Vorgehen mit Hilfe des Atems kann citta beim Üben von Yoga aber erreicht werden und die körperlichen Wirkungen des Übens sind dann (gern gesehene) Nebenwirkungen. Ein Zustand von innerer Ausgeglichenheit ist durch Yoga also durchaus erlernbar.

Yoga – der Weg der kleinen Schritte

Auf dem Weg zu dieser inneren Ausgeglichenheit können sich unmittelbare sowie mittel- und langfristige Ergebnisse zeigen. Einige Beispiele zu diesen Wirkungen:

  • Eine direkte Wirkung kann beispielsweise sein, dass sich körperliche An- oder Verspannungen während oder nach der Übungssequenz lösen.
  • Eine mögliche mittelfristige Wirkung bei längerem Üben unter Berücksichtigung des Atems kann die zunehmende Fähigkeit sein, sich spontan bewusst zu entspannen.
  • Eine Wirkung des langfristigen Übens kann eine Erhöhung der Bereitschaft sein, sich konstruktiv mit sich selbst auseinanderzusetzen.

Wirklich nachhaltig lässt sich dieses Potenzial an Entspannung, mentaler und emotionaler Flexibilität, Konzentration, Sammlung und Weiterentwicklung auf allen Ebenen allerdings nur nach und nach erschließen. Dabei beschränkt sich Yoga nicht nur auf Körperübungen, sondern berücksichtigt die Verflechtung von Körper, Atem und Geist bei allen Aspekten des Übens und Lernens. Die Yogapraxis soll den Körper-Atem-Geist-Komplex ein ganzes Leben lang in guter Verfassung halten. Dabei entfaltet Yoga seine tiefgehende Wirkung sehr langsam, auf einem Weg der kleinen Schritte. Die Ergebnisse sind dann aber umso spektakulärer: Zufriedenheit, Ausgeglichenheit, guter und tiefer Schlaf sowie geistige Beweglichkeit im Sinne von „ewiger“ geistiger Jugend.

Yoga: offen, fundiert und mit Tiefgang

Das Potenzial von Yoga basiert auf mehreren Aspekten:

  • Yoga ist ein ganzheitliches Übungssystem, das neben Geist und Atem den Körper integriert.
  • Yoga ist ein Jahrtausende altes, ausgefeiltes System zur Weiterentwicklung der dem Menschen innewohnenden Potenziale.
  • Yoga ist offen für jeden Menschen und hat nichts mit Religion, Glauben, Herkunft oder sonstigen Weltanschauungen des Individuums zu tun.

Somit hat Yoga das Potenzial das menschliche System aus Körper, Atem und Geist im Gleichgewicht zu halten und darüber hinaus auf sehr effiziente Art und Weise wieder ins Gleichgewicht zu bringen, falls dieses verloren ging. Dabei wird das Wesen eines jeden Menschen mit einer wertschätzenden Haltung betrachtet. Darüber hinaus ist Yoga im Wesentlichen eine innere Haltung der Genügsamkeit und Ausgeglichenheit, sowie einer gelebten Freundlichkeit und Gelassenheit.

Fazit

Yoga ist ein wahrlich ausgefeiltes System zur Weiterentwicklung der dem Menschen innewohnenden Potenziale. Unter kompetenter Begleitung über einen langen Zeitraum des Übens und Lernens und auf eine dem Wohl der Gemeinschaft dienenden Art und Weise, ist Yoga wahrlich ein Geschenk an die Menschheit. Dabei muss niemand eine andere oder ein anderer werden. Aber es kann geübt werden, einen anderen Umgang mit sich und dem eigenen Umfeld systematisch zu kultivieren. Das ist das zeitlose Potenzial des Yoga.

Jürgen Slisch, Gelnhausen, 11.09.2023.

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