In diesem Beitrag möchte ich zunächst die fünf Elemente näher beschreiben als Grundlage der darauf basierenden dosas. Anschließend werde ich näher auf vata-dosa eingehen. Wie im zweiten Blog-Beitrag der Ayurveda-Reihe beschrieben, bilden die fünf Elemente (pancamahabhuta) die Grundlage aller Materie, von uns Menschen, allen Geschöpfen, allem, was uns umgibt. Darum kann es zu einem Austausch kommen zwischen allem, was ist.
Die fünf Elemente im Ayurveda und ihre Eigenschaften
Das Element Erde (prithivi) steht für das Prinzip Masse, ist schwer, rau, hart, fest und grobstofflich. Es bewirkt Wachstum, Schwere, Festigkeit, Kompaktheit und Kraft. Das Element Wasser (jala) steht für das Prinzip Synthese. Es hat die Eigenschaften flüssig, ölig, schwer, kalt, weich und bewegt sich entsprechend der Schwerkraft. Jala bewirkt Verbindung, Befeuchtung/Ölung und Weichheit. Das Element Feuer (agni) steht für Energie und Hitze. Es ist heiß, scharf, penetrierend, fein, leicht, trocken und nicht schleimig. Agni bewirkt Hitze, Brennen, Verstoffwechselung und Glanz. Das Element Luft (vayu) steht für Bewegung und bewirkt auch Bewegung. Es ist beweglich, leicht, kalt, trocken und nicht schleimig, rau, fein, reduzierend. Das Element Raum (akasa) steht gleichzeitig für Raum und Ausdehnung. Dieses Element bewirkt Durchlässigkeit und ist frei von Widerstand. Seine Eigenschaften sind leicht, fein, glatt, nicht schleimig und alles durchdringend.
Die dosas: von Balance und Dysbalance
Die Prinzipien, Wirkungen und Eigenschaften der Elemente zeigen sich je nach Zusammensetzung und Anteilen in aller Materie. Auch die dosas vata, pitta und kapha übernehmen diese Eigenschaften und spiegeln sie wider. Die pathophysiologischen Prinzipien der dosas beeinflussen ihrerseits aber auch die Elemente. Sie haben sowohl grobstoffliche als auch feinstoffliche Anteile. In ihrer natürlichen und ausgewogenen Form unterstützen sie alle Funktionen und Vorgänge im Körper. Sie sind unauffällig, wir sind gesund und fühlen uns wohl.
Sind die dosas aber aus ihrer Balance und nicht mehr in ihrem normalen Zustand, verursachen sie Störungen und machen uns krank. So wie Sonne, Mond, Wasser und Wind alles Leben auf der Erde fördern bzw. möglich machen, verursachen sie im Übermaß Zerstörung. Es sind immer alle drei dosas in einem Lebewesen vorhanden, sie beeinflussen sich gegenseitig und sind wichtig für das gute Funktionieren aller Abläufe. Wörtlich übersetzt bedeutet das Sanskrit-Wort dosa Störung. Freier übersetzt sind dosas etwas, das leicht aus dem Gleichgewicht gebracht werden kann. Nehmen die Eigenschaften (siehe Elemente) eines der dosas spürbar zu, können wir von einer Dysbalance bzw. Überaktivität ausgehen.
Vata-dosa
Vata verkörpert die Elemente Luft und Raum. Deren Eigenschaften und Wirkungen spiegeln sich im vata-dosa wider. Vata ist das Bewegungsprinzip in uns, der Wind, der auch draußen alles bewegt. Alles, was sich im Körper bewegt, wird vom vata-dosa gelenkt: Der Bewegungsapparat, die Atmung, das Herz-Kreislaufsystem, die Anregung der Verdauung (agni), das Sprechen, die Sinneswahrnehmungen, alle Ausscheidungsprozesse inklusive Darmperistaltik, Bildung der srotas (führende Kanäle), Embryoentwicklung, Transport, Anschub aller Prozesse, Handlungsbereitschaft, Steuerung auch von pitta und kapha. Die gute Funktion des vata-dosas ist demzufolge essenziell für unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden. Jeder der dosas wirkt im ganzen Körper, in jeder Zelle, hat aber einen Hauptsitz, sein „Haus“. Das ist bei vata-dosa vor allem der Dickdarm, dazu unterer Rücken, Kreuzbein, Sinnesorgane, Knochen und der Geist. Jeder der dosas ist wiederrum in fünf Sub-dosas oder Aktionsfelder unterteilt, diese gehören aber trotzdem zum gleichen Prinzip; hier vata (oder vayu).
Die fünf Sub-dosas von vata
Apana-vata: Die nach unten führende Kraft im unteren Rumpf. Sorgt für alle Ausscheidungsprozesse wie Stuhlgang (Blähungen sind evtl. schon selbst Teil einer Störung), Wasserlassen, Menstruation, Geburt, Ejakulation, Erektion, Ovulation und Trennung von Flüssigem und Festem im Dickdarm. Störungen von vata werden diese Funktionen alle oder zum Teil stören. Auf keinen Fall sollte man etwas zurückhalten, was raus will. Das würde diese vata-Kraft stören.
Samana-vata: Nach unserem Verständnis in Nähe zum Parasympatikus. Hat eine starke Verbindung zum agni, der Verdauungskraft. Der Sitz ist vor allem im Oberbauch, im ganzen Darmtrakt. Samana-vata steuert hier die Bewegung und Ausschüttung von Enzymen. Ein schwaches agni hat oft hier die Ursache. Die Ausgewogenheit von samana-vata hat mit unserer Ernährungs- und Lebensweise zu tun.
Vyana-vata: Befindet/bewegt sich im ganzen Körper. Nach modernem Verständnis ist er mit dem Sympatikus assoziiert. Dieser vata-Teil regelt den Kreislauf und alle Muskeltätigkeiten, die Körperbewegungen. Er bewegt sich in alle Richtungen, nach außen und wieder nach innen. Blockaden im Körper, Verletzungen und Bewegungsmangel stören diesen vata-Teil. Ausreichend Bewegung ist hier also essenziell.
Udana-vata: Dieser Funktionsteil befindet sich im Brustkorb, Hals, Nase und Nabel. Er bewegt sich von innen nach außen und trägt Informationen/Wissen (von Geist und Sinnen) nach außen. Es setzt körperliche Prozesse in Gang, steht für die Sprache, das Gedächtnis und die Immunkraft. Dieser Teil hat viel damit zu tun, was wir über unser Tun und unsere Sprache nach außen bringen.
Prana-vata: Steuert die anderen vata-Bereiche (und alle dosas) und würde aus unserem Verständnis dem ZNS und den sensorischen Nerven nahe sein. Prana ist auch die Bezeichnung für die Lebenskraft. Dieser Aktionsteil von vata sitzt vor allem im Kopf, Nase, Zunge, Kehle und Brustkorb und bewegt sich über die Aufnahme von Informationen über die Sinne von außen nach innen. Er reguliert den Atem (prana), Herzfunktion, Schlucken, Niesen, Husten. Er steht in enger Beziehung zu unserem Intellekt, der Aufnahme von Informationen über die Sinne sowie der Aufnahme von Atem, Essen und Trinken. Prana-vata hat zudem einen sehr engen Bezug zu unserem Geist, der Psyche. Eine Dysbalance in diesem vata-Teil kann sich in vielerlei Hinsicht äußern, vor allem in den genannten Aktionsbereichen. Sehr wichtig ist ein angemessener und freundlicher Umgang mit unseren Sinnesorganen und dem Atem. Und wie man in unserem Kulturkreis sagt, eine gute Psychohygiene.
Besonders aktiv ist vata im Tagesverlauf in den Zeiten von 2 bis 6 Uhr, sowie von 14 bis 18 Uhr. Im Jahresverlauf ist vor allem der Winter vata-Zeit, ayurvedisch der Frühwinter hemanta und der Spätwinter shishira.
In den nächsten Ayurveda-Beiträgen geht es weiter mit den anderen dosas pitta und kapha.
Dagmar Dührsen, Norddeich, 26.06.2023.